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Johannes Sommer
CEO, Retresco
Der Vormarsch von Generativer KI (GenAI) prägte das Medienjahr 2024 wie kaum ein anderes Thema. Im Jahr 2025 dürfte sich diese Dynamik der Entwicklung weiter fortsetzen. Zugleich sollte die Tragweite und wirtschaftlicher Bedeutung für Medienhäuser zunehmen. Viele experimentelle Pilotprojekte und Betaphasen haben bei nationalen und regionalen Medienhäusern ihren Abschluss gefunden. Nun beginnt eine Phase der Normalisierung und Professionalisierung, in der KI-Projekte konsequent in den Arbeitsalltag integriert und auf ihren wirtschaftlichen Nutzen hin optimiert werden.
Im Folgenden wage ich einen mit Praxisbeispielen gespickten Ausblick auf die KI-Medien-Trends 2025. Abgerundet wird der Überblick durch ein Thema, welches künftig rechtlich verpflichtend ist und dass ich daher nur als “halben” Trend werte.
Hat die Google-Suche noch eine Zukunft? Mit dem Aufkommen generativer KI-Modelle wie ChatGPT, Perplexity und Co. sehen wir erstmals ernstzunehmende Konkurrenz für Googles langjährige Marktdominanz. Nutzer verlangen zunehmend nach direkten, kompletten Antworten statt der traditionellen “10 blauen Links”. Trotz wachsender Kritik an den Suchergebnissen verteidigt Google bislang seinen Marktanteil von über 90 % – gestützt durch sein technologisches Know-how sowie die fest verankerten Nutzungsgewohnheiten bei transaktionalen Suchen.
Für Medienhäuser und Verlage bedeutet dies, dass auch künftig robuste und zukunftsorientierte SEO-Strategien unerlässlich sind, um relevant zu bleiben und um gefunden zu werden. Die Grundpfeiler herkömmlicher, bewährter SEO-Strategien bleiben im neuen Jahr bestehen:
Meine Vorhersage: Google bleibt zwar die zentrale Plattform für transaktionale Suchanfragen, aber Medienhäuser, die proaktiv agieren und sich auf neue Technologien und informationelle Suchtrends einstellen, können von einer Diversifikation der Suchlandschaft erheblich profitieren. Außerdem wird Google schrittweise neue KI-Funktionalitäten in die Suche integrieren, was mich zum nächsten Trend führt:
Im Jahr 2025 wird die Reichweitengenerierung für Medienhäuser an Komplexität deutlich zunehmen. Mit dem Launch generativer KI-Systeme wie ChatGPT und Perplexity, aber auch KI-Avancen des Suchriesen Google, stehen nicht nur traditionelle SEO-Strategien auf den Prüfstand, sondern es eröffnen sich auch neue Chancen. Die neue Losung heißt Generative Engine Optimization (GEO). Entsprechende Content-Strategien zielen darauf ab, Inhalte für KI-gesteuerte Suchsysteme und Chatbots so aufzubereiten, dass thematisch passende Artikel bei KI-Anfragen als Quelle generierter Antworten gefunden und angezeigt werden.
Generative KI verändert die Art, wie Nutzer Informationen suchen und konsumieren. GEO ermöglicht es, Inhalte speziell auf die Funktionsweisen von ChatGPT und Co. zuzuschneiden, um mehr Reichweite und eine entsprechend bessere Monetarisierung zu erzielen:
Generative Engine Optimization bietet eine doppelte Chance: Sichtbarkeit in neuen KI-basierten Suchsystemen und damit neue ggf. zusätzliche Optionen der Reichweitenmonetarisierung. Medienhäuser, die frühzeitig in GEO investieren, sichern sich einen Wettbewerbsvorteil, indem sie ihre Inhalte als verlässliche Informationsquellen etablieren und zugleich auf die wachsenden Anforderungen in der digitalen Landschaft reagieren.
Im kommenden Jahr werden KI-Agenten, auch bekannt als AI Agents, agentische KI oder KI-gestützte Entscheidungshilfen, in den Redaktionen Einzug halten. KI-Agenten sind zentrale Anwendungen für die Integration von großen Sprachmodellen (LLMs) als Steuerungseinheit für Entscheidungsprozesse.
Diese Systeme verbinden Regelketten mit den adaptiven Fähigkeiten der KI, um Prozesse und Inhalte zu orchestrieren. Sie unterstützen Redaktionen nicht nur bei der Automatisierung repetitiver Tätigkeiten, sondern bieten darüber hinaus kreative und strategische Unterstützung:
Ippen Digital ist in der deutschen Medienlandschaft ein Vorreiter solcher KI-Agenten. Das Medienhaus setzt auf integrierte KI-Tools, die Routineaufgaben wie die Auswertung öffentlicher Quellen übernehmen, Themenvorschläge erstellen und erste Textentwürfe generieren. Die Redakteure/innen können sich auf wertschöpfende Tätigkeiten wie investigative Recherchen konzentrieren, während eine “Master-KI” Impulse für eine passgenaue Lokalberichterstattung gibt. Ippen zeigt, wie Redaktionen regelmäßige und wiederkehrende Prozesse mit KI-gestützten Entscheidungshilfen effizient organisieren können – insbesondere solche, die bislang als nicht automatisierbar galten.
KI-Agenten ermöglichen die Automatisierung redaktioneller Abläufe zum einen eine effiziente Ressourcennutzung, wodurch mehr Kapazitäten für kreative und investigative Projekte frei werden. Zum anderen eröffnen sich durch den Einsatz von KI neue Erlösmodelle, die es ermöglichen, unterschiedlichste Zielgruppen mit automatisiert optimierten und relevanten Inhalten gezielt anzusprechen. Dies kann über das traditionelle journalistische Angebot hinausgehen, etwa durch die Bereitstellung von Job-Agenten für die Leser/innen.
Generative KI bietet völlig neue Möglichkeiten bei der Skalierung und Effizienzsteigerung in der Content-Produktion. Doch trotz aller Fortschritte bleibt die menschliche Expertise im Kontext journalistischer Genauigkeit und Glaubwürdigkeit unverzichtbar. Der Ansatz “Human-in-the-Workflow” beschreibt eine hybride Arbeitsweise, die die Stärken von Mensch und Maschine kombiniert, um den wachsenden Anforderungen an Qualität und Geschwindigkeit in der Medienproduktion gerecht zu werden.
KI-Modelle sind inzwischen in der Lage, riesige Datenmengen zu verarbeiten und Inhalte in beeindruckender Geschwindigkeit zu erstellen. Dennoch bleibt der Faktor Mensch auf absehbare Zeit unerlässlich, um folgende Herausforderungen zu meistern:
Die Vorteile von Human-in-the-Workflow:
Frage-Antwort-Systeme (Retrieval-Augmented Generation, RAG) bieten Medienhäusern neue Wege, ihre Inhalte Leser/innen bereitzustellen. Solche Systeme vereinen die Stärken generativer KI in der sprachlich einwandfreien Formulierung mit dem Wissensfundus aus kuratierten Medienarchiven, medieninternen Wissensbanken oder vergleichbaren geschützten Datenräumen. Dadurch ermöglichen sie nicht nur eine interaktive Content-Erstellung, sondern auch eine Minimierung rechtlicher Risiken durch die Nutzung geprüfter, redaktioneller Quellen.
Im Vergleich zu generalistischen KI-Systemen, die auf öffentlich zugängliche Daten zugreifen, ermöglichen RAG-Systeme eine kontrollierte Nutzung selektierter Datenquellen. Medienhäuser können …
… ihre Inhalte als Antworten auf spezifische Fragen von Nutzer/innen ausliefern, die auf kuratierten, eigenen Quellen basieren.
… Rechtssicherheit gewährleisten, indem sie ausschließlich eigene Inhalte als Quellen verwenden.
… im Gegensatz zu herkömmlichen Suchfunktionen kontextrelevante Antworten liefern.
… ihre Effizienz steigern, da sich Rechercheprozesse und die Content-Bereitstellung signifikant beschleunigen.
Worin liegen die typischen Anwendungen?
In diesem Jahr haben unter anderem bereits die Washington Post und das TIME Magazine in den USA oder Bild, die Welt und die Süddeutsche Zeitung (zur Europawahl) solche Frage-Antwort-Systeme gestartet. 2025 dürften weitere nationale und internationale Medien folgen.
Das Jahr 2025 markiert ganz generell einen Wendepunkt für die Medienbranche: KI wird von experimentellen Pilotprojekten zu einer tragenden Säule im redaktionellen Alltag. Während im zurückliegende Jahr noch Testläufe und Betaphasen dominierten, geht es nun um skalierbare, belastbare KI-Lösungen, die nachweisbare Ergebnisse liefern und wirtschaftlich tragfähig sind. Medienhäuser befinden sich auf dem Weg zur “KI-Sophistication” – einer neuen Entwicklungsstufe, die smarte, stabile und effiziente Anwendungen in den Mittelpunkt stellt.
Der Schlüssel liegt in der technologischen Verfügbarkeit von KI direkt in den bereits etablierten Systemen. Beispiele wie “Apple Intelligence”, die KI-Funktionen von Siri und ChatGPT nahtlos in die iOS-Infrastruktur integriert, zeigen: KI-Lösungen werden dann am wertvollsten, wenn sie dort verfügbar sind, wo Redakteure/innen täglich arbeiten. In Redaktionssysteme und IT-Strukturen eingebettete KI-Tools reduzieren Reibungsverluste, vereinfachen Prozesse und sorgen für eine unkomplizierte Content-Erstellung.
Was KI-Sophistication für Medienhäuser im neuen Jahr bedeutet:
Neben Effizienzsteigerungen eröffnet KI auch neue Monetarisierungsmöglichkeiten. Beispiele sind interaktive Frage-Antwort-Systeme (RAG), die vorhandene Inhalte dynamisch verfügbar machen. Medienhäuser müssen jedoch entscheiden, ob sie eigene KI-Lösungen entwickeln oder auf externe Tools setzen – stets mit Blick auf langfristige Integration und Kostenreduktion. 2025 steht ganz im Zeichen einer KI, die nicht nur produktiv, sondern auch smart und nachhaltig ist.
Im neuen Jahr wird eine präzise Erfolgskontrolle von KI-Projekten für Medienhäuser und Verlage zum Hebel für mehr Effizienz und für die Wettbewerbsfähigkeit. Gemäß unserem gemeinsam mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) veröffentlichten KI-Reifegrad-Report verfügen aktuell gerade einmal 13 % der Medienhäuser über Metriken, um die Produktivität und den Umsatzzuwachs von KI-Anwendungen systematisch zu erfassen.
Mit der zunehmenden Verbreitung produktiver und skalierbarer KI-Lösungen wächst die Dringlichkeit, deren tatsächlichen Mehrwert zu erfassen und zu bewerten. Nur diejenigen Medienhäuser, die im Jahr 2025 auf belastbare KPIs setzen und deren kontinuierliche Erfassung sicherstellen, schaffen die Grundlage für nachhaltige Effizienzgewinne und dauerhafte KI-Strategien.
Hierbei geht es nicht nur um die technische Machbarkeit. Eine effektive Erfolgskontrolle erfordert vor allem die strategische und kulturelle Verankerung datengetriebener Prozesse in den Redaktionen. Wie bei jeder Einführung neuer Technologien wird durch eine transparente, nachvollziehbare Erfolgsmessung das volle Potenzial von KI sichtbar – und langfristig abrufbar.
Ausschließlich eine konsequente Erfolgsmessung ermöglicht es KI-Investitionen zu bewerten und Ressourcen effizient einzusetzen. Herausforderung eins besteht in der Entwicklung geeigneter KPIs, die sowohl Effizienz als auch Qualität und Relevanz von KI-Projekten widerspiegeln. Herausforderung zwei liegt darin, diese KPIs valide und verlässlich messbar zu machen.
Folgende Kennzahlen empfehlen sich für die Medienbranche:
Medienhäuser stehen 2025 vor der Herausforderung rechtliche und ethische Standards bei der KI-Nutzung durchgängig zu erfüllen. Der EU AI Act sowie vergleichbare Vorgaben, die im neuen Jahr in Kraft treten, geben neue Rahmenbedingungen vor, die sowohl Risiken minimieren sollen als auch Leitplanken für künftige Innovationen festlegen. Medienunternehmen, die auf diese Notwendigkeiten reagieren und sich den regulatorischen Anforderungen stellen, sichern sich wettbewerbliche Vorteile und stärken das Vertrauen ihrer Zielgruppen.
Was sind die Entwicklungen und Herausforderungen?
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Medienhäuser?
Kurzum: Die KI-Regulierungen im Jahr 2025 bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen für Medienhäuser.
Ab dem 2. Februar 2025 sind Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen oder bereitstellen, gemäß dem EU AI Act verpflichtet, ihre Mitarbeitenden im Umgang mit KI-Technologien zu schulen. Es handelt sich also nicht um einen Trend, sondern um regulatorische Vorgaben, die darauf abzielen, einen verantwortungsvollen und effizienten Einsatz von KI-Systemen sicherzustellen.
Für Medienhäuser und Verlage bedeutet dies, dass alle Mitarbeitenden, die mit KI arbeiten – sei es durch die Nutzung von Tools wie ChatGPT oder DeepL – entsprechende Schulungen erhalten müssen. Solche Weiterbildungen bieten nicht nur Compliance-Sicherheit, sondern eröffnen auch Potenziale für innovative KI-Anwendungen und Akzeptanz innerhalb der eigenen Organisation. Eine erfolgreiche KI-Transformation hängt maßgeblich davon ab, wie gut Mitarbeitende die neuen Technologien verstehen, anwenden und in ihre Arbeitsabläufe integrieren.
Größere deutsche Medienhäuser haben bereits entsprechende Initiativen gestartet:
Im neuen Jahr stehen Medienhäuser und Verlage vor der Aufgabe, die Integration von KI in ihre Arbeitsprozesse weiter voranzutreiben und effektiv zu gestalten. Der Einsatz von KI-Technologien bietet vielfältige Möglichkeiten, von der Automatisierung redaktioneller Abläufe über die Personalisierung von Inhalten bis hin zur Optimierung der Content-Distribution. Um langfristig nicht nur technische, sondern auch kulturelle Vorteile zu sichern und sich als führend zu positionieren, ist ein strategisches Vorgehen unerlässlich. Dies umfasst die Entwicklung eindeutiger Leitlinien, die Schulung der Mitarbeitenden im Umgang mit KI sowie die Etablierung einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur.
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